Und weiter geht die wilde Reise. Nachdem wir uns in Stufe 4 so bemüht haben dazuzugehören, merken wir im Übergang zur 5. Stufe, dass es uns nicht mehr genügt der Gruppenmeinung zu entsprechen. In uns entstehen stärkere eigenständigere Bedürfnisse und Wünsche. Es entstehen Interesse und Ziele, die uns mehr und mehr anziehen. Wir wollen uns abheben und besser sein - als andere. Wir wollen auch von anderen - Menschen im Allgemeinen und solchen, die in unserem neuen, persönlichen Interessensfeld erfolgreich sind - wahrgenommen und im Idealfall für „gut“ befunden werden.

Wir lösen uns von der Peer-Group
Die Erwartungen und Meinungen unserer Peer-Group sind uns nicht mehr so extrem wichtig. Wir genießen oft noch Jahre ihr Umfeld, aber es zieht uns nicht mehr mit dieser großen Stärke hin. Auch Einzelpersonen, mit denen wir sehr eng waren, mögen wir zwar noch - aber wir verlieren etwas das Interesse am Kontakt mit ihnen. Es kann ein schlechtes Gewissen entstehen, weil diese Freunde ja nichts Falsch gemacht haben. Sie interessieren uns nur etwas weniger, weil sich unser Interessensfokus auf andere Themen und Ziele verlagert hat.
Eventuell beginnen wir ein wenig unsere Gemeinschaften zu vernachlässigen, wenn wir nicht zufällig etwas anstreben, das innerhalb der Gruppe akzeptiert und möglich ist. Wir wollen uns ja ohnehin von anderen abheben. Der Übergang von 4 auf 5 ist für viele nicht so einfach. Hier ringen die Bedürfnisse dazuzugehören mit diesem noch nicht so klar definierten Wunsch etwas zu leisten und sich abzuheben. Je stärker unser Beziehungsmotiv ist und umso schwächer unser Leistungsmotiv, umso schwerer und unwahrscheinlicher ist, dass wir in Stufe 5 gehen. Viele von uns können aber an dieser Schwelle weniger mit unserer Peer-Group anfangen. Es ziehen uns eher Leute an, die erfolgreich sind (bezogen auf das, was für uns wichtig ist).
Somit definieren wir unseren Wert und damit einen Großteil unserer inneren Zufriedenheit darüber, was andere von uns denken. Dies ist ein Grund, warum wir die Stufe 5 als Übergangsstufe begreifen – auf dem Weg zum wirklich eigenständigen ICH, das - viele Jahre später (wenn überhaupt) nicht mehr so von äußerer Anerkennung abhängig ist – es aber natürlich dennoch genießt. In Stufe 5 agieren wir deutlich egoistischer als zuvor, doch steuern uns immer noch die Erwartungen anderer stärker, als das es uns bewusst ist. Fragt man jemanden in dieser Stufe, wird die Person es zu 99% nicht eingestehen, dass die Meinung anderer so viel Gewicht für sie hat. Wir werden meist auch nicht wirklich asozial, da wir erkennen, dass dies zu Nachteilen führen würde.

ICH bin meine Leistung
Dies ist die Zeit, in der wir uns über unsere Leistungen zu definieren beginnen. Wir setzen uns mehr und öfter Ziele und messen uns selbst über die Erreichung dieser. Je stärker unser Leistungsmotiv und auch Machtmotiv ist, umso stärker zieht es uns in diese Reife-Phase hinein – und lässt uns auch schwerer los, um noch weiter zu reifen.
Doch was genau meinen wir überhaupt mit Leistung? Über was wir uns letztendlich genau definieren, ist extrem unterschiedlich. Das kann mein Aussehen, mein Einkommen, mein Status, meine Ausbildung, mein getuntes Auto, etc. sein. Normalerweise ist es aber etwas, für dessen Erreichen wir auch Einsatz zeigen. Wir brauchen etwas, auf was wir stolz sind, das uns wichtig erscheint. Unser Denken fokussiert sich sehr stark auf das, über was wir uns definieren, unser Horizont ist hier recht eng.
Wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, fühlen wir uns schlecht. Unser Selbstvertrauen ist stark von dem abhängig, was in unserem engen Sichthorizont als wichtig bestimmt ist. Sind wir Medizin-Studenten, dann messen wir uns an unseren Kommilitonen, wollen selbst vorankommen und streben bestimmte Positionen oder Veröffentlichungen, etc. an - je nachde, welche Weg wir innerhalb der Medizin als unseren definiert haben (Forschung, Anwendung, viel Geld verdienen, Status maximieren, etc.)
Da schnelle Erfolge natürlich die besten sind, ist die Gefahr z.B. Videospielsucht zu erliegen, hier besonders groß. Vor allem, wenn dies in einer Community stattfindet, weil dies dann sowohl E4 und E5 Aspekte anspricht, den Status über Peers und Leute, die die gleichen Interessen haben. Gerade die heutige Game-Industrie fängt und hält Menschen dann in einer Scheinwelt des digitalen Erfolges. Sie schafft einen künstlichen Raum, in dem Entwicklung stoppt, weil wir dort ja alles bekommen, was unsere unmittelbare Motivation anspricht. Da Erfolge in der wahren Welt viel aufwändiger und weniger sicher sind, untergräbt Spielsucht unser echtes Leben natürlich massiv. Es ist eine Schein-Leistung - und E5 ist Schein oder wichtiger als Sein.
Entsprechend geht es hier am stärksten - im Vergleich - zu allen anderen Entwicklungsstufen - um Statussymbole. Vor allem, wenn das Machtmotiv größer ist, als das Leistungsmotiv, wollen wir primär demonstrieren, wie wichtig wir sind.

ICH im Vergleich
Wir vergleichen uns jetzt intensiver mit anderen. Wenn mein Nachbar ein neueres, besseres Auto hat als ich, dann entstehen in mir Gefühle wie Missgunst. Neid – der Missgunst kleine, nettere Schwester – ist auch niemand unbekannter. Doch wo Neid nur zeigt, dass wir gerne hätten, was der andere hat, da zeigt Missgunst, dass wir dem anderen das, was er hat, nicht gönnen. Wir wollen nicht, dass er es hat. Diese Gefühle kennen wir alle – es ist einfach Teil unserer Entwicklung. Jeder hat schon missgönt. Jeder von uns hat sich schon eingeredet, dass wir das, was der andere hat, viel mehr verdient hätten oder warum der andere es nur durch Glück oder ungerechtes Schicksal bekommen konnte. Wenn wir uns dann langsam weiterentwickeln irritieren und erschrecken uns diese Gefühle mehr. Wir erkennen, dass es keine positiven Gefühle sind und uns nur bitter machen. Doch Neid ist in dieser E5 Phase letztlich eine Art Zusatzantrieb.
Treten diese Gefühle oft auf und beeinflussen unser Denken und Handeln, sind das sichere Anzeichen für starke E5 Anteile. Das heißt nicht, dass wir nicht auch schon mit ein paar Zehen in der Stufe E6 stehen können, aber diese Gefühle reifen im weiteren Verlauf aus und verschwinden immer mehr und mehr, bis sie nur noch ein leichtes Aufflackern im Hintergrund unserer Gefühlswelt sind, das wir interessiert bemerken und lächelnd gleich wieder loslassen können.
Je extremer mein Leistungs- und Vergleichsbedürfnis ist, umso extremer wird mein Einsatz sein. Wir sind dann zwar immer nur glücklich, wenn wir gerade besser sind, als die anderen oder in dem Moment, wo wir ein Zeil erreichen, aber unsere inhaltliche Kompetenz, unser Kontostand – oder was wir sonst nachlaufen, wachsen dafür auch schnell.

Warum gibt es Stufe 5?
Im wirtschaftlichen Bereich ist das hier die Zeit der größten Performance-Orientierung - und potential des maximalen fachlichen Wachstums. Wir wollen Karriere machen und Eindruck hinterlassen. (Findet man nichts, über das man sich auszeichnen kann => führt das zu Ausweichverhalten, z.B. Konsumsucht, Spielsucht, Trinken, Drogen, etc.)
Wir arbeiten auf unsere Ziele hin – wollen besser werden und besser als andere. Ziele sind eher kurz- und mittelfristig. Wir wollen dabei immer effizienter werden. Die Kontrolle über den Fortschritt und die Umgebung zu haben, wird uns hier zunehmend wichtig. Wir empfinden uns nun als extrem rational und logisch. Wir haben die Dinge im Griff und können sie durch unsere Power formen. Unsere Meinung ist in der Regel die einzig richtige und wichtige. Im Sprechen und Denken verfallen wir rasch in eine Logik des „alles oder nichts“ – „entweder … oder“ bzw. „wenn … dann“ – für uns ist ja alles klar. Wir bauen uns Methoden und Denkschemata auf, die uns helfen unsere Sicht auf die Welt zu argumentieren und rücken nicht von diesen ab.
Die Funktion dieser Stufe wird vermutlich nun schon klarer. Durch diese sehr enge Weltsicht, den ganz engen Fokus auf das, was für uns wichtig ist, gewinnen wir massiv an Kompetenz. Diese Lebensphase ist wichtig, damit wir in unserer Gesellschaft Experten und Fachleute aufbauen. Ob Ärzte, Techniker, Juristen, Wirtschaftler, usw. – sie alle können nur richtig gut werden, wenn sie zumindest ein paar Aspekte der Stufe 5 erreichen. So heben sich in jedem Feld unserer Gesellschaft Menschen ab, zeichnen sich aus und treiben somit andere E5 zu neuen Höchstleistungen oder zumindest zum Versuch an diese zu erreichen. Es ist ein gesellschafts-evolutionärer Mechanismus, der fachliche und technologische Spezialisierung und Weiterentwicklung extrem beschleunigt.

Das klingt jetzt so, als könnte man, wenn man auf E4 bleibt, nicht kompetent werden. Das stimmt nicht, weil es Umstände gibt, die das zulassen. Wenn wir z.B. in einer Juristenfamilie aufwachsen und uns diese als Peer-Group wichtig ist, werden wir alles tun, um auch Jurist zu werden. Das kann genug Energie freisetzen, um gut zu werden - aber es reicht uns ja die Anerkennung der Peergroup. Der Anspruch absolut herausragend zu sein, bezieht sich auf dieses Umfeld und wird nicht auf die Experten, die es sonst noch gibt, ausgeweitet.
Problematisch wird es dann, wenn wir doch in eine höhere Reife gehen und merken, dass die Juristerei gar nicht unser „Ding“ ist. Bleiben wir dennoch bei der Tätigkeit, brennen wir aus, weil unser ICH wo anders hinwill und wir jeden Tag Energie aufbringen müssen, um dagegenzuhalten, so als würde man an einem Gummiband gehen und jeden Tag wird es straffer und verlangt mehr Energie für den nächsten Schritt.
E5 ist die ideale Lern- und klassische Erfolgsphase. Sie ist das Ideal für eine Konsumgesellschaft, wo es darum geht immer etwas Neues und Besseres zu kaufen oder zu erreichen oder zumindest den Schein zu wahren. Als Gesellschaft profitieren wir enorm, weil wir so diesen bunten Strauß an herausragenden Experten und fähigen Mitmenschen erhalten. Man könnte das innere Programm gar nicht besser konstruieren, denn auch die Ignoranz und der Egoismus zahlen hier ein, genauso wie dieses starke Vergleichsdenken. Alles schiebt uns auf dem engen Strahl im Leben voran und erhebt uns über die Menge – auf fachlicher bzw. erfolgsbezogener Ebene. In diesem Kontext wird die künstliche Intelligenz spannend, weil sie sehr vieles viel besser und schneller wird leisten können, als wir Menschen. Wie definieren wir dann unser Ego in dieser Phase?
Das war Teil 1 zur Stufe 5. Diese ist so wichtig, weil die Masse von uns da drinnen ist, entweder zum Teil oder voll und ein fehlendes Verständnis dieser Stufe ist ein Grundproblem unserer Gesellschaft. Sehr viele Konflikte, persönliche Krisen aber selbst Kriege entstehen durch starke E5-Persönlichkeiten. Diese Stufe verdient mehr Aufmerksamkeit. Deswegen gehen wir beim nächsten Beitrag den Weg hier noch weiter.