Stufe 5 – Kompetent und besonders sein … (Teil 3)
In der dritten Etappe zu Entwicklungsstufe 5 (E5) wird es etwas dramatisch. Hier entscheidet sich, ob wir die Chance bekommen ein wirklich glückliches und erfülltes Leben zu führen oder den Rest des Lebens damit verbringen nach außen eine Fassade von Glück und Erfolg aufrecht zu erhalten, während wir innerlich frustriert und ausgehöhlt auf der Stelle treten.
Klingt dramatisch? Ist es auch. Wer glaubst du führt Angriffskriege? Glückliche, ausgeglichene Persönlichkeiten? Wer zettelt Streit an? Wer stiftet Unruhe, um anderen zu schaden? Wer driftet in Suchtverhalten ab? Wer lässt seinen Frust an Schwächeren aus? Wir tun das, nämlich dann, wenn wir in unserer inneren Reise ins Stocken geraten und nicht wissen, wie es weitergeht. Dann wenden wir unseren Frust und unser Unvermögen mit ihm umzugehen gegen die anderen. Diese sind Schuld an unserem Leid. Wir werden im Frust emotionaler, härter und kälter. Wir depersonalisieren Menschen, sie werden zu Mittel zum Zweck oder Hindernisse, die aus dem Weg zu räumen sind.
Natürlich gibt es auch Menschen in höheren Stufen, die sich gegen andere wenden, aber nicht mehr so stark aus Ego-Gründen, nicht mehr so leicht wegen kleinen Kränkungen. Der Umgang mit verschiedenen Sichtweisen verändert sich erheblich - viele Aspekte verändern sich, die allesamt die Wahrscheinlichkeit für sinnlose Streitigkeiten drastisch reduzieren.
E5 sehe ich als jene Weggabelung, die über das Schicksal entscheidet, auf individueller Ebene, auf organisationaler Ebene usw. bis zur geopolitischen Ebene.
Also, noch ein paar Schritte, um E5 gut verstehen zu können.

Fremde Feder schmücken auch
In dieser Phase geht es uns ja sehr darum, dass andere uns gut finden – im Idealfall zu uns aufschauen. Dafür verwenden wir auch gern Referenzen, schmücken uns gern ein wenig mit den Erkenntnissen und Erfolgen anderer, um selbst „besser“ und kompetenter zu wirken. Ich weiß nur zu gut, wie gern ich das gemacht habe. Weniger, dass ich mir Erfolge anderer, bei denen ich nur marginal beigetragen habe zugerechnet habe, aber zitiert habe ich andere schon gern, oder einfach mal spektakuläre Fakten zum Besten gegeben – auch wenn es niemand interessiert hat.
Es ist auch nichts Verkehrtes daran passende Zitate an geeigneter Stelle zu verwenden. Hier geht es eher darum, dass Menschen in E5 sehr oft fallen lassen, welche namhaften Menschen sie kennen, um ihre eigene Bedeutung dadurch aufzuwerten. Dieser Impuls verschwindet dann im Laufe der weiteren Entwicklung wieder praktisch zur Gänze. Doch auf E5 werden Leute immer wieder Aussagen treffen, die zeigen sollen, wie toll und klug sie sind. Sie verwenden gerne Fremdwörter, werfen mit Fachkenntnissen um sich, wichtigen ihnen bekannten Persönlichkeiten, ihre Fähigkeiten – und sehr oft ist es halt auch mehr Schein als Sein. Und dazu passt es, wenn wir uns diesen Schein auch öfter borgen. Ist ja auch effizient, was perfekt zur Stufe 5 passt.

Oh oh – Achtung Feedback!
Aber wer hat denn überhaupt eine Chance uns – auch positiv – zu beeinflussen, wenn wir in dieser Phase alles besser wissen? Eigentlich nur Menschen, denen wir hohe Kompetenz zusprechen – in dem, was für uns wichtig ist. Und /oder wenn ein Tipp oder Feedback genau auf unsere Ziele einzahlt, es uns also schnelleren oder größeren Erfolg verspricht.
Wenn es uns richtig schlecht geht, weil wir mit unserer Art des „leistens“ an unsere Grenzen stoßen, werden wir auch offener für Entwicklungsimpulse. Ansonsten sind wir sehr gut immunisiert gegen Feedback und Kritik und tendieren dazu sie abzulehnen oder die Personen, von denen es kommt, direkt abzuwerten – weil sie es wagen, uns zu hinterfragen.
Das alles klingt ein wenig negativ – aber nur aus unserer sozialisierten Sicht. Denn diese Art des Tunnelblickes ist eben in dieser Phase notwendig, um ein wenig „stur“ unseren Weg zu finden bzw. zu gehen. Herausragende Fähigkeiten und Leistungen sind hier möglich, gerade weil unser Horizont hier noch recht eingeschränkt ist, wir die Welt vereinfachen. Und solange uns dies gut dient, gibt es auch keinen Impuls uns noch weiter zu entwickeln. Wenn wir auf jeden Nein-Sager hören würden, wäre das ja auch nicht ideal, oder? Hätte Edison aufgehört, nachdem sein erster Draht für die Glühbirne nicht geleuchtet hätte, dann säßen wir heute noch im Dunkeln. Er brauchte tausende Versuche. Hartnäckigkeit ist wichtig und dieser sture, etwas reduzierende Tunnelblick zahlt nunmal hierauf gut ein.

Frust-Dauerschleife vs. Stufenaufstieg
Wenn wir aber zunehmend merken, dass MEHR vom Gleichen (Geld, Ausbildung, Führungsverantwortung, Auszeichnungen, Siege, etc.) uns nicht zufriedener macht und wir eigentlich zunehmend ungücklicher werden, obwohl wir ja alles/vieles erreicht haben, dann entsteht eine Art Weggabelung.
Denn auf der E5 sind wir ja meist relativ intelligent – jetzt kommt es darauf an, wohin sich die Intelligenz richtet. Unsere Intelligenz können wir dazu einsetzen, tausend Gründe in unserem Umfeld und Leben zu finden, die die Ursache für unser Unglück, unser Leiden und unseren Stress sind. Oder unsere Intelligenz verschafft uns die Einsicht, dass wir in unserem Inneren die Dinge entwickeln müssen – wir verstehen müssen, warum das Außen diese Wirkung auf uns hat.
Gehen wir Weg 1, werden wir immer wieder unser Leben umbauen, aus der Hoffnung die Dinge zu ändern, die unserem Glück im Wege stehen. Wir ändern „das Außen“ – und landen immer wieder an der gleichen Weggabelung, weil das Problem nicht in der Welt da draußen liegt.
Menschen, die diese Endlosschleife auf E5 gehen, zeichnen sich oft im weiteren Verlauf des Lebens durch immensen Weltfrust aus – oder durch Resignation. Im ersteren Fall werten sie hart über die Welt und die Menschen. Mehr und mehr sind sie mit allem in der Welt unzufrieden. Sie empfinden sich ungerechter Weise in eine Welt geworfen, für die sie selbst zu gut sind. Eigentlich verdient die Welt sie gar nicht und keiner Dank einem all das, was man macht.

Dabei erwarten wir in der E5 die Dankbarkeit der anderen – für alles. Wir geben allerdings selbst praktisch keinen Dank an die anderen, weil die anderen froh sein sollen, das man überhaupt da ist. Sie sollen dankbar sein, dass sie uns helfen dürfen. Zudem würde uns – in dieser Reifestufe – das Gefühl überkommen, dass uns Dankbarkeit „kleiner“ macht.
In dieser Dauerschleife probieren wir dann alles mögliche, um Glück zu erzwingen. Wie erwarten, dass unser Umfeld uns glücklich macht und tragen es ihm nach, wenn es das nicht tut. Wir haben aber ganz genaue Vorstellungen, was wir wollen (wenn die auch oft überhaupt nicht stimmen) und wenn unser Umfeld es nicht so macht, wie wir das wollen, na dann, Gute Nacht. Weil es uns wichtig ist, uns überlegen zu fühlen, kann das Umfeld auch kaum was richtig machen – egal, was es tut.
Wie in E4 stellen wir uns gegenüber den Menschen im Außen, denen wir gefallen wollen, immer noch souverän, toll und glücklich dar. Dieses Schauspiel, das Aufrechterhalten dieser Fassade kostet zunehmend Kraft, weil wir spüren, dass irgendwas grundlegend nicht psst. Es ist nicht selten, dass wir in so einer Negativ-Spirale dem Alkohol verfallen, andere der Konsumwut und man sucht mehr und mehr Meschen, die einem Bestätigung geben, weil man ja spürt, dass in einem etwas nicht „rund“ läuft. Wir glauben halt weiterhin, es liegt an der Welt und mögen Menschen, die das genauso sehen. Es liegt aber zum allergrößten Teil in uns. Wie gesagt, Resignation ist eine andere Strategie damit umzugehen – ein eher lethargisches Abwenden von der Welt und den Menschen darin. Beziehungen werden noch oberflächlicher, verlieren ihre emotionale Bedeutung für uns. Nichts, das in unserer Reichweite ist, scheint Bedeutung zu haben. Wir streben in E5 ja ohnehin die Sachen an, die wir eben nicht haben – oder haben können.

Haben wir erkannt, dass nicht die Welt das Problem ist, sondern unsere Sicht auf sie und unser Umgang mit ihr, dann gehen wir den 2. Weg und wir treten in die nächsthöhere Reifestufe ein, in der ein ungleich höherer Level an dauerhafter Zufriedenheit wartet. Doch dieser Übergang ist nicht angenehm. Wir waren oft Jahrzehnte auf E5, es war die Art, wie wir unser erwachsenes Leben geführt haben. Diese Art hat uns unseren Erfolg ermöglicht. Der ganze Aufbau dessen, über was wir uns aktuell identifizieren, ist diese E5-Haltung. Diese sichere Basis zu verlassen, fühlt sich extrem verunsichernd an – vor allem, wenn wir keine Begleitung haben, die versteht, was hier vorgeht. Deswegen ist es gesellschaftlich von immanenter Bedeutung, dass wir mehr über ICH-Entwicklung wissen und uns gegenseitig helfen gut mit ihr umzugehen – um möglichst wenige toxische Menschen zu haben, die einfach nicht wissen, wie sie mit sich weiter umgehen sollen. Wie eine Frucht, die eigentlich reifen will, aber nur gärt und giftig wird – und dann alles um sich weiter vergiftet.
Wenn wir uns hier helfen, dann geht die Reise weiter, wir können reifen. Wir betreten das Land, in der wir so richtig zu unserer vollständigen Identität finden, losgelöst von den Erwartungen anderer. Wir betreten die Stufe 6. Dazu das nächste Mal mehr.